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Samstag, 9. April 2011

Fridolin und ich

Ein Kind , 2 Jahre alt, kommt in die Kita, es ist mir fremd, ich habe keinen Bezug zu ihm.
Genau das versuche ich in der ersten Woche der Eingewöhnung zu bekommen und vor allem dem Kind das Gleiche zu mir zu vermitteln. In 95% der Fälle gelingt das in den ersten 5 Tagen ganz gut.
Während sich die Eltern zurück ziehen sollten, muss ich mich stärker einbringen, um (nennen wir "ihn" mal Fridolin (hatte ich nie), um dem Kind mal einen Namen zu geben), also um Fridolin die Trennung zu erleichtern.
Das gelingt leider nicht, wenn Mama ängstlicher ist, als ihr Kind und nicht loslassen kann...

Ich kann jedenfalls Fridolins Herz erobern, er bleibt bei mir, Mama kann gehen.
Nun beginnen 2 Jahre der gemeinsamen Zeit.
Ich schreibe diesen Post, weil sich sehr wenig Eltern Gedanken über die nächsten Sätze machen, das sollte anders werden, denn manchmal tut es sehr weh...

Unser Kindergarten ist eine Kita mit 9 1/2 Stunden Öffnungszeit am Tag. Fridolin ist ein Durchschnittskind und somit täglich 6 Stunden in der Kita und bei mir.
Anfangs lässt er sich von mir trösten, manchmal befolgt er schon ein paar Regeln. Beim Essen eine halbe Stunde am Tisch zu sitzen, ist aber noch zu viel für ihn. Er steht beim Essen auf, geht spielen, was okay ist. Die anderen Kinder verstehen, dass es am Anfang so ist. Es dauert auch nur drei Tage, dann sitzt Fridolin mit den anderen Kindern am Tisch und bleibt freiwillig dort.
Fridolin hat fröhliche blaue Kulleraugen und blonde Löckchen. Er ist recht zierlich und ich frage mich, ob er später mal ins Fitnessstudio rennen muss, um nicht so ein halbes Hemd zu bleiben.
Aber Fridolin ist selbstbewusst und freundlich. Er zeigt mir sein erstes selbstgemaltes Bild, ich finde das Gekritzel wunderbar und hänge es auf.
Fridolin kommt das erste Mal kuscheln, und für mich geht die Sonne auf. Plötzlich habe ich Fridolin schrecklich lieb. Und er mich scheinbar auch, denn er kommt nun öfter mal vorbei zum "kurz Drücken".
Ich wechsel ihm die Windeln und singe dabei ein Liedchen. Fridolin freut sich. Ich baue mit ihm einen Turm aus Duplosteinen, ich zeige ihm wie man die Schere richtig hält und sie bewegt und bin stolz wie Bolle, wenn er seinen ersten eigenen Schnitt macht. Das habe ICH ihm beigebracht :-)
Im Streit beisst Fridolin ein anderes Kind in die Schulter. Ich schimpfe, mache ihm klar, dass das gar nicht geht und setze ihn an den Tisch, während ich das andere Kind tröste. Nun weint auch Fridolin, er wusste sich doch nicht anders zu wehren. Das Gebissene Kind geht wieder spielen und ich nehme Fridolin ganz fest in den Arm, damit er sich beruhigt und sieht, dass ich nicht mehr böse bin. Und wieder stelle ich fest, wie lieb ich ihn hab.
Fridolin feiert Geburtstag, ich habe ihm ein schönes Geschenk zum 3. Geburtstag besorgt.
Fridolin braucht keine Windeln mehr, was wir in nur 2 Wochen geschafft haben.
Fridolin sieht auf Ausflügen mehr als andere Kinder und bringt mir dauernd kleine Schätze, wie Steinchen, eine verlorene Rosenblüte, eine Feder (igitt), und ich lobe ihn für jeden Fund, wofür er mich aus den immer größer werdenden blauen Augen anstrahlt.
Plötzlich sagt er "Ich hab dich lieb!" und drückt mir einen hauchzarten Kuss auf die Wange. Mir steht eine Träne im Knopfloch. "Ich hab dich auch lieb!" sag ich und meine es auch so.
Und plötzlich sind die 2 Jahre um. Fridolin zieht mit seinen Eltern ans andere Ende der Stadt und verlässt die Kita. Verlässt mich.
Es gibt eine Abschiedsfeier, ich lächle tapfer und erzähle lauter gute Sachen über die neue Kita, damit er sich darauf freut. Die Eltern drücken mich noch mal, sagen mir, wie toll es war, ich bekomme als Dankeschön eine häßliche Vase. Und dann liege ich abends im Bett und heule Rotz und Wasser, weil ich ein Kind "verloren" habe.
Ich sehe Fridolin nie wieder. Inzwischen ist er 16 und es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht an ihn denke. Hat er noch seine Locken? Hat er schon eine Freundin? Geht er ins Fitnessstudio oder ist er von alleine ein "Kerl" geworden? Wie war er in der Schule? Und mein Herz wird noch immer wehmütig, wenn ich die häßliche Vase anschaue, in die ich seit 14 Jahren meine Blumen stelle...
So geht es mir mit (fast) JEDEM Kind! Denkt mal darüber nach.

2500 Stunden verbringe ich durchschnittlich mit eurem Kind. 2500 Stunden, in denen ich es wickel, tröste, ihm was beibringe, mich freue und ärgere, auf Ausflügen was Spannendes zeige, mit ihm kuschel, Geschichten vorlese, nasse Pullover wechsel, Pflaster aufklebe, Quatsch mache und sie ganz viel zum Lachen bringe. 2500 Stunden, in denen ich sie so lieb gewinne. Und dann geht ihr und kommt nie wieder. Das ist seelische Grausamkeit!!!
Zum Glück habe ich einige Kinder, die mich auch nach 14 Jahren noch jedes Jahr besuchen kommen. Danke dafür, ich liebe euch!

1 Kommentar:

  1. Liebe Birgit,

    da kommen auch mir die Tränen. Schiieeff....

    Nichts leichter als das!!

    Bald hast Du bestimmt regelmäßig ziemlich viele Kinder, die Dich besuchen wollen.
    Auch wir wollen sehen, was aus Dir geworden ist.
    Du betreust unsere Kinden, so dass wir die Möglichkeit haben sorgenfrei arbeiten zu gehen und zu wissen, dass Du für unsere "kleinen Babys" da bist.
    Du gibst uns ebenfalls die Gewissheit, dass es ihnen gut geht und dafür lieben wir/sie dich.
    Du bist unsere Kita-Prinzessin und vergessen wist Du sicherlich nie. Auch dafür werden wir mit regelmäßigen Besuchen in der Zukunft sorgen :-))
    Sei gedrückt

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