Habt ihr Kinder?
Fragt ihr euch auch, was passiert, wenn sich die Türen der Kita schließen und ihr zur Arbeit geht?
Ist euer Kind glücklich? Weint es? Wird es beachtet oder ist es jeden Tag auf´s neue ein Kampf?
Ich befinde mich hinter den Türen und habe in 21 Jahren verdammt viel erlebt. So oder so ähnlich wird es sich in allen Kindergärten abspielen...
Ich werde euch hier lustige, traurige, nachdenkliche, interessante Geschichten erzählen, die euch vielleicht eine Vorstellung vom Kitaleben geben.
Zunächst einmal möchte ich etwas zu meinem Beruf sagen.
Für viele Eltern ist die Vorstellung in einer Kita zu arbeiten die Hölle, den ganzen Tag diesen Lärm zu ertragen, mit so vielen Kindern gleichzeitig klar kommen, wo sie doch mit einem schon genug zu tun haben...
Manche finden es ganz süß und würden die Kinder den ganzen Tag knutschen. Reicht nicht für den Job!!!
Und dann gibt es noch die erfolgreichen Manager-Väter, die abends um 21 Uhr nach hause kommen und ihr Kind nur entspannt am Wochenende erleben. Diese Väter schlagen alle 3 Monate im Kindergarten auf, um den tollen Papi zu geben und die Erzieherin freundschaftlich (oder was sonst?) in den Arm zu nehmen und ihr zu sagen, was für einen tollen Job sie doch hat, den ganzen Tag spielen zu können und dafür auch noch Geld zu bekommen.
Papis, mein Tag sieht so aus:
Meist beginnt mein Dienst um 9 Uhr, genauso wie das Frühstück. Schnell die Kids an den Tisch setzen. Der Eine kriegt den Rucksack nicht auf, weil es unbedingt der Hightech-Rucksack mit dem Karabiner sein musste, die Nächste hat Probleme mit den kindersicheren, äh, auslaufsicheren Tupperdosen, in denen die Gurke am Ei klebt und ich erst die Butter vom Babybel wischen muss, bevor ich das Papier abziehen kann.
Fünf nach neun singen wir ein Lied und beginnen das gemütliche Frühstück. Ich etwas später, denn ich muss noch den Actimel von Tisch und Fußboden wischen, weil das ruckartige Deckelabziehen bei Zweijährigen noch nicht funktioniert. Macht ja nix.
Zwei Kinder müssen während des Frühstücks sicher zur Toilette, was alleine klappt, wenn es nur "pullern" ist. Ist es aber nicht. Also warte ich lieber noch, bis ich die Pos abgewischt habe, bevor ich herzhaft in meine Stulle beiße. (Keine Angst, ich hab mir vorher die Hände desinfiziert.)
Inzwischen klingelt an der Tür schon einer Sturm, der auf den 5 Minuten von zuhause bis zur Kita wieder einen Mörderstau hatte.
Während wir uns über das Wochenende, den Formeleinssieger und das anstehende Vormittagsprogramm unterhalten, muss ich noch einen Apfel aufschneiden und zwei Eier abpuhlen. (Ist es nicht erstaunlich, dass Kinder eine komplette Spülmaschine auseinandernehmen können, aber nicht in der Lage sind, ein Ei von der Schale zu befreien?) Schließlich komme ich glatt dazu, mein Brot zu essen.
Nach dem Frühstück abräumen, Zähne putzen, das Kind mit dem nassen Ärmel umziehen.
Und los geht´s, wir malen mit Fingerfarbe. Wichtig: Nie mit allen gleichzeitig malen, das ist wie eine Dose mit Heuschrecken ganz zu öffnen, um sich in Ruhe Eine herauszuholen.
6 Kinder höchstens und deshalb habe ich auch nur 6 Malkittel.
Nach dem neuen Berliner Bildungsprogramm, sollte man ja keine Vorgaben mehr machen, was die Kinder malen sollen, trotzdem bitte ich um ein Frühlingsbild mit Blumen. Da ich mir fest vorgenommen habe, mich nicht einzumischen und die Kinder völlig kreativ selber malen zu lassen, sehe ich zu, wie die grünen Sonnen und gelben Blumen hinter einer sehr sehr schwarzen Wolke verschwinden. Soll ich DAS aufhängen??? Alle sind fertig mit dem Malen, bereit machen zum Hände waschen.
Das Kind, das seit 2 Minuten seelenruhig neben meinem Stuhl steht und die Hand auf meiner Schulter hat, flüstert mir bei der Gelegenheit ins Ohr: "Ich hab eingepullert!"
2. Kollegin? Fehlanzeige. Praktikant? Nö. Also 6 Kindern in Hektik die Ärmel hochgekrempelt und an die Waschbecken gestellt. Das eingepullerte Kind umziehen, die Pfütze wegwischen, das nasse Bad wischen und die Farbe von den Spiegeln kratzen (lass Kinder nie allein im Bad und schon gar nicht sechs auf einmal!!!) und die Farbschlacht auf dem Tisch beseitigen. Macht ja nix.
Nun wollen wir aber noch auf den Spielplatz. Gegen ihren Willen nötige ich die Kinder raus zu gehen. Damit die ersten angezogenen Kinder nicht schwitzen, bitte ich sie, sich mit einem Buch ruhig an den Tisch zu setzen, während ich weiter anziehe.
Als ich fertig bin (im wahrsten Sinne des Wortes und auch in allen anderen Sinnen) und in den Gruppenraum gehe, sitzen 3 Kinder am Tisch und lesen ein Buch, die anderen kloppen sich in der Kuschelecke.
Ich verteile Gummibärchen an die drei Tischkinder und schwupp, ist die Kuschelecke leer und neun weitere Hände strecken sich mir entgegen. Leider bekommen die Kinder, die Tisch mit Kuschelecke und lesen mit kloppen verwechselt haben kein Gummibärchen und so gehe ich mit drei glücklichen und neun beleidigten Kindern auf den Spielplatz.
Endlich durchatmen. Es ist kalt, zwei Kinder ohne Handschuhe (O-Ton Eltern: Der will immer keine anziehen!) weinen schon, weil die Hände weh tun und so opfer ich meine Handschuhe. Macht ja nix.
Nach 30 Minuten nötige ich die Kinder gegen ihren Willen reinzugehen. Alles wieder ausziehen, Mittag essen, Zähne putzen, die Hälfte der Kinder wickeln, die anderen auf die Toilette schicken, acht der 12 Kinder zum Schlafen zu meiner Kollegin der zweiten Kleinkindgruppe bringen, selber mal schnell pullern gehen.
Jetzt ist Zeit zum Spielen. Ach nein, ich muss ja die Nicht-Schläfer meiner Kollegin nehmen und beschäftigen, den Wochenplan für die nächste Woche schreiben, Fotos nachbestellen, den Reis unterm Tisch auffegen, die "schwarzen Frühlingswolken" aufhängen, die Bastelaktion für morgen vorbereiten und im Puppentheater einen Termin machen. Ist noch Zeit für einen Kaffee? Nee, die Schlafkinder stehen in 5 Minuten auf, also mit den Nicht-Schläfern aufräumen. Macht ja nix.
Schlafkinder anziehen, Obst aufschneiden, Teezeit (in anderen Teilen Deutschlands sagt man Vesper). Vielleicht komme ich selber zum Essen oder es läuft wie beim Frühstück.
Nach dem Tee werden die ersten Kinder abgeholt, Smalltalk in der Tür mit den Eltern, nebenher den Tisch abräumen und Wischen, den Teewagen in die Küche bringen und zwei Kinder wickeln, während mir einer mit dem Bobbycar über die Füße fährt.
Es wird ruhiger? Denkste. Die ersten Kollegen gehen nach hause, deren Kinder werden aufgeteilt. Macht ja nix.
Um 17 Uhr hätte auch ich Feierabend, denn dann schließt die Kita. Die letzte Mama springt um Schlag 17 Uhr rein und freut sich, dass sie noch so pünktlich ist. In weiser Voraussicht, habe ich das Kind bereits vor zwei Minuten angezogen. "Wo sind denn die Handschuhe?" Ich weiß nicht, denn es ist kein Kind aus meiner Gruppe und so schließe ich noch mal die anderen Räume auf, um die Handschuhe zu suchen, die das Kind ordentlich in der Jackentasche hatte, wo Mama natürlich schon nachgeschaut hatte. Natürlich.
Meine Kollegin, mit der ich mir gerne die Bahn geteilt hätte, um mal ein bißchen zu quatschen, ist inzwischen schon weg. Macht ja nix.
Und auch wenn ich heute irgendwie wieder nicht zum Spielen kam, mache ich diesen Job doch für mein Leben gern!!!
Die nächsten Einträge werden kürzer und kurzweilig.
Ich freu mich auf euch Leser!!!
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