Ein Kind war mal sauer und sagte: "Ich bin sauer und sage jetzt gar nichts mehr!"
Da kam mir die Idee, einen ganzen Tag lang gar nichts zu sagen.
Ich bereitete die Kinder eine Woche täglich darauf vor, dass ich nicht sprechen würde und HEUTE war es so weit. Eine letzte Ansage vor dem Frühstück und dann sagte ich nichts mehr.
Das war ein ganz unglaublicher Tag. Ein vierjähriges Mädchen wollte eigentlich mitmachen, aber sie hielt nur 3 Minuten durch. Ich schaffte es 6 Stunden. Wie das geht? So:
Die Kinder redeten wie immer. Bei Fragen, die mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten waren, konnte ich ja nicken oder den Kopf schütteln. Alle fanden es lustig, ich lächelte und lachte viel, aber redete nicht.
Ein Mädchen, fast 4, mochte das nicht so gerne und stellte mir dauernd bewusst Fragen, die ich mit Worten beantworten müsste. "Warum kommt L. heute nicht?" "Was machen wir heute?"
Ich erklärte alles nur durch Mimik und Gestik. Nach dem Frühstück kam meine Praktikantin, die ganz wundervoll mit mir schwieg.
Wir schafften es, Sport zu machen. Es gibt da diesen großen Pappwürfel. Wir nehmen ihn nur beim Sport, um die Anzahl der Übungsdurchführung zu bestimmen (die Kinder lernen dabei gut zählen). Ich holte nur den Würfel und sofort schrie ein Kind: "Wir machen Sport, alle herkommen!!!"
Ich brauchte nichts sagen, machte schweigend die Übungen vor, lobte die Kinder mit einem aufmunternden Lächeln oder dem erhobenen Daumen, alles freute sich.
Anschließend wollte ich auf den Spielplatz. Ich zeigte nach draußen und die Kinder fragten "Spielplatz?" Ich nickte. "Anziehen?" Ich nickte wieder. Also gingen sie sich anziehen. Wer´s nicht mitbekam, den nahm ich noch an die Hand.
Draußen war es leichter zu schweigen. Außerdem hatten sich die Kinder daran gewöhnt.
Beim Reingehen erledigten es auch zum Teil die großen Kinder, denen ich nur das Tor zeigte, worauf sie riefen, was ich sonst gesagt hätte: "Wir gehen, alle zum Tor!" (Die GROSSEN sind übrigens gerade 4 geworden und noch nicht ganz 4.)
Mittagessen, wir warten alle am Tisch. Sonst singen wir oder ich lese ein Buch vor. DAS ging heut nicht. Ich holte ein Buch, das die Kinder bereits kannten und zeigte nur langsam Seite für Seite die Bilder. Die Kinder erzählten dazu selbst die Geschichte, ganz von allein! Phantastisch.
So lief es den ganzen Tag. Ein Mädchen erzählte netterweise gleich jedem Erwachsenen, dass ich heute nicht rede, so dass alle Bescheid wussten. Ich brauchte nichts erklären.
Die Kinder hatten großen Spaß, waren entspannt und viel ruhiger als an normalen Tagen. Es wurde weniger gestritten und weniger geweint.
Für mich war es SUPER entspannt. Nicht zu reden nimmt so viel Druck, etwas sagen und erklären zu müssen.
Schwer fiel es mir nur, wenn die Kinder etwas Falsches sagten und ich sie nicht verbessern konnte, z.B. dass wir Freitag mit der U-Bahn in den Wald fahren, dabei fahren wir mit der S-Bahn. Sind ja nur Kleinigkeiten, aber in diesen Momenten hat mich das Schweigegelübte schon Überwindung gekostet.
Nachmittags rief eine Kollegin an, die von meinem Schweigen nichts wusste. Ich nahm den Hörer ab, aber brummte nur. Sie verstand nur Bahnhof, dachte, ich hätte den Mund voll oder mir weh getan. Ziemlich ratlos legte sie etwas genervt auf. Ich schickte ihr zur Erklärung eine SMS. Kleine Ausnahme :-)
Zum Nachmittagstee reichen wir uns immer die Hände, singen ein Lied und fangen dann an zu essen. Wir hielten die Hände, aber keiner sagte was. Bis schließlich ein Kind, das wenig Deutsch spricht, anfing unser Lied zu singen. Zum Weinen schön!
Solch einen Tag werde ich auf jeden Fall wiederholen und ich kann es nur jedem mal empfehlen. Das geht auch zuhause. Es war für alle eine tolle und lustige Erfahrung. Und man sollte den Aspekt nicht vergessen, dass es Menschen gibt, die wirklich nicht reden können...
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